Jasmin Camdzic: „Wir sind kommende Saison kreativer und innovativer aufgestellt“
Am Ende steht Platz 13 in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga. Sechs Zähler Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Punktgleich mit dem Tabellenelften, aber eben das deutlich schlechtere Torverhältnis. Die HSG Wetzlar hat eine ordentliche Saison gespielt. Mit Höhen, aber auch mit Tiefen. Mit Sieges- und Niederlagenserien. Im Interview blickt Jasmin Camdzic, der Sportliche Leiter der Grün-Weißen auf diese 26. Erstliga-Spielzeit der Mittelhessen in Folge im Oberhaus zurück und spricht über die Herausforderungen auf dem Feld, aber auch abseits davon. Camdzic benennt die Lehren aus dieser Spielzeit und nimmt die neue Runde ins Visier.
Jasmin, Ende März bist Du in einem Interview schon einmal sehr deutlich geworden und hattest die Leistungen der Mannschaft nach der EM-Pause kritisiert. Bist Du mit dem, was danach bis zum Rundenende passiert ist, zufrieden?
Jasmin Camdzic: Zum Teil ja, zum Teil nein. Die Leistungen in Göppingen und in Gummersbach waren extrem schwach und haben sich in die Auftritte eingereiht, die wir zu Hause gegen Balingen und in Lemgo geboten hatten. So etwas ist nicht zu akzeptieren. Wir sind im April noch einmal sehr deutlich geworden und haben die Spieler in die Pflicht genommen. Die Auftritte im Mai waren dann wieder auf einem sehr guten Niveau. Da hat das Team gezeigt, was in ihm steckt. Das wirft dann die Frage auf: Wie kann es sein, dass eine Mannschaft, die so viel Talent besitzt, solchen Leistungsschwankungen unterlegen ist, so dass wir im Mai immer noch nicht den Klassenerhalt gesichert hatten.
Hast Du eine Erklärung?
Jasmin Camdzic: Dafür müssen wir uns noch einmal an den Saisonstart erinnern.
Bitte …
Jasmin Camdzic: Wir haben zu Beginn viel gearbeitet, um Stabilität in unsere Leistungen zu bekommen. Wir haben sehr viel Energie investiert und waren sehr viel im Austausch untereinander. In den ersten Spielen haben die Ergebnisse noch nicht gestimmt. Aber Frank Carstens hat sich dank seiner gradlinigen Arbeit davon nicht beunruhigen lassen, und wir haben spätestens ab Ende Oktober die Früchte eingefahren. Dass wir dann bis Weihnachten insgesamt 17 Punkte geholt hatten, war angesichts der Schwierigkeiten zu Rundenbeginn ein sehr gutes Zwischenergebnis.
Kam die EM-Pause dann zur falschen Zeit?
Jasmin Camdzic: Die Frage stellt sich nicht. Denn wir hatten und haben keinen Einfluss, wann Pause ist. Wir können uns nur mit dem beschäftigen, was wir beeinflussen können. Und mein Gefühl ist, dass sich etwas auf dem Erfolg von vor Weihnachten ausgeruht wurde. Vielleicht ist der Eindruck entstanden, wir wären schon weiter und vielleicht wurde einiges auch als selbstverständlich hingenommen. Das heißt nicht, dass wir nicht intensiv gearbeitet haben. Aber in den Bereichen Mentalität, Kommunikation und Innovation haben wir vielleicht etwas nachgelassen. Wir müssen aber hier in Wetzlar von Juli bis Juni in allen Bereichen konsequent, intensiv und qualitativ gut arbeiten, um über die gesamte Saison ohne große Schwankungen ein Leistungslevel zu halten.
Einer der Spieler, der sehr konstant seine Leistungen abgerufen hat und zuletzt zum Teil wieder überragend gehalten hat, war Till Klimpke. Den hast Du ja nun schon seit der Jugend unter Deinen Fittichen. Was sagst Du zu seinen Auftritten in dieser Runde?
Jasmin Camdzic: Till hat in dieser Saison seine Reifeprüfung bestanden. Er war wirklich sehr konstant und in der Endphase teilweise sensationell gut. Er kommt mittlerweile an das Niveau heran, dass seine Vorgänger Andreas Wolff und Benjamin Buric hatten, als sie hier bei der HSG Wetzlar waren. Till ist auch in seiner Persönlichkeit gereift. Die Rolle als Kapitän hat er gut ausgeführt. Er war vorbildlich im Verhalten und immer absolut leistungsorientiert.
Meinst Du, er sollte wieder zurück in die Nationalmannschaft?
Jasmin Camdzic: Absolut. Seine abgelieferten Leistungen und die Statistiken sprechen ja für sich. Kein anderer deutscher Torwart hat in der abgelaufenen Bundesliga-Saison so viele Paraden aufzuweisen wie Till.
Blicken wir mal voraus auf die neue Saison. Wie ausgeprägt ist Deine Vorfreude auf das, was ab Juli kommt?
Jasmin Camdzic: Im Moment herrscht nach einer langen Saison eher noch Müdigkeit vor. Aber die Vorfreude entwickelt sich ganz bestimmt in den kommenden Wochen. Denn ich bin mit unserem Kader für die neue Saison zufrieden. Neben Talent haben wir bei den Neuzugängen sehr stark auf die Mentalität und die Leistungsbereitschaft geachtet.
Ein Umbruch mit acht neuen Spielern ist aber nicht zu unterschätzen. Macht Dir das Sorgen?
Jasmin Camdzic: So ein Umbruch ist natürlich eine große Aufgabe. Aber ich bin mir sicher, dass wir das alle gemeinsam, aber in erster Linie unser Trainerteam sehr gut bewältigen werden. Von Vorteil ist, dass wir auf bestimmten Positionen auch eine gewisse Kontinuität haben. Im Tor, am Kreis und im rechten Rückraum beispielsweise. Und natürlich auch auf Rechtsaußen, was unsere stabilste Position in der abgelaufenen Saison war. Das ist wichtig.
In welchen Bereichen muss sich die Mannschaft in der kommenden Saison gegenüber der abgelaufenen Runde steigern, was sollte sie beibehalten?
Jasmin Camdzic: Unsere Saisonanalyse hat gezeigt, dass wir in der Defensive sehr gute Werte haben. Ganz platt ausgedrückt: Unsere 6:0-Abwehr in den unterschiedlichen Varianten kann in Verbindung mit den Torhütern so bleiben. Unser Problem in der abgelaufenen Saison war die Chancenverwertung, die unser Angriffsspiel in Mitleidenschaft gezogen hat. Ich bin mir aber sicher, dass wir mit den Neuzugängen hier kreativer und innovativer aufgestellt sind. Hier wünsche ich mir auch mal den einen oder anderen Überraschungsmoment.