Rekordmann Cavor spendiert gerne ein Bier für Golic
Am Tag danach gab es für Stefan Cavor ein spätes Frühstück. Bei einer Bäckerei in der Wetzlarer Fußgängerzone machte es sich der Linkshänder kurz vor der Mittagzeit gemütlich und genoss Spezialitäten vom Balkan. „Ich habe etwas länger geschlafen“, sagt der 30-Jährige fast entschuldigend. Dabei hatte er sich diesen Schlaf wohl verdient. Zum einen wegen seiner grundsätzlich starken Leistung am Sonntagabend beim 32:29-Heimsieg gegen den VfL Gummersbach, als er acht Mal traf. Zum anderen, weil er einen seit 2007 bestehenden Rekord gebrochen und Nebojsa Golic als besten Torschützen der HSG in der grün-weißen Bundesliga-Historie abgelöst hat.
„Ich habe nie über diese Zahlen nachgedacht. Aber natürlich bin ich sehr glücklich und stolz diesen Rekord nun gebrochen zu haben. Ich fühle mich hier sehr wohl. Wetzlar ist längst meine zweite Heimat geworden. Von daher ist das etwas ganz besonderes für mich“, sagt Cavor, der die Spitzenposition in diesem Ranking am Sonntag um kurz nach halb sieben übernommen hatte. Sein Treffer zum 16:12 war sein fünftes Erfolgserlebnis an diesem Tag gegen den VfL und damit sein 857. Tor für die HSG Wetzlar. Golic kam zwischen 2001 und 2007 auf insgesamt 856 Treffer. „Ich habe es auf dem Feld mitbekommen und die Einblendung auf der LED-Wand gesehen“, erzählt Cavor.
Vor der Saison hatte ihn sein Mitspieler Domen Novak darauf hingewiesen, dass ihm nur noch 62 Tore bis zum alleinigen Rekord fehlen. „Aber zuletzt hatte ich nicht mehr daran gedacht“, sagt „Caki“.
Ende Oktober 2016 kam der Linkshänder als Nachverpflichtung nach Wetzlar. Joao Ferraz hatte sich gerade schwerwiegend an der Schulter verletzt, so dass der Klub zum Handeln gezwungen war. Cavor war damals 22 Jahre jung – hatte aber schon einige Stationen hinter sich. Ausgebildet bei RK Budvanska Rivijera in Montenegro schloss er sich als 18-Jähriger dem spanischen Spitzenclub BM Ciudad Real an, ging 2013 zu RK Celje nach Slowenien und heuerte ein Jahr später beim ungarischen Verein Csurgoi KK an, ehe ihn sehr kurzfristig das Angebot der HSG Wetzlar erreichte.
Eine lange Anlaufzeit benötigte der Montenegriner damals nicht. Er war schnell eine Verstärkung. Seinen ersten Treffer erzielte er gleich in seinem ersten Spiel: am 30. Oktober 2016 zum zwischenzeitlichen 12:15 bei den Rhein-Neckar Löwen. Bis heute kamen 859 dazu. Er hätte noch ein paar mehr geworfen, wenn er sich im Juni 2022 nicht im Training das vordere Kreuzband gerissen hätte. Im Februar 2023 feierte er zwar sein Comeback, doch er benötigte eine längere Zeit, um wieder der Alte zu werden, was bei solchen schwerwiegenden Verletzungen vollkommen normal ist. Er selbst sagt heute: „Mittlerweile fühle ich mich wieder so, wie vor meiner Verletzung. Ich habe wieder viel Selbstvertrauen und denke auch nicht mehr an mein Knie. Sicherlich kommt mir in dieser Saison auch die Art und Weise entgegen, wie Dominik und Justin unseren Angriff organisieren.“ Grundsätzlich vergisst der 30-Jährige seine Mitspieler aus all den Jahren in Wetzlar nicht. „Ich bin ein Teil der Mannschaft. Alleine kann ich nichts bewegen. Deswegen sind meine Tore immer Teamarbeit.“
Und was sagt Nebojsa Golic dazu, dass er seine führende Position im HSG-Ranking verloren hat? „Ich habe immer darauf gewartet, dass einer kommt und den Rekord knackt. Ich freue mich für Caki. Jetzt muss er mir aber auch ein Bier ausgeben“, erklärt Golic, der mit seiner Frau Milana in seiner bosnischen Heimatstadt Banja Luka lebt. „Kein Problem“, entgegnet Cavor. Dieses Bier spendiert er gerne und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Ich habe ihm schon vor einiger Zeit gesagt, dass ich ihn schon länger überholt hätte, wenn ich bei uns die Siebenmeter werfen würde, so wie er es damals bei der HSG getan hat.“
Die HSG-Torschützenliste (Stand: 23.12.2024)
860 Tore: Stefan Cavor
856 Tore: Nebojsa Golic
842 Tore: Maximilian Holst
821 Tore: Björn Monnberg