Die HSG Wetzlar trauert um Günter Seipp!
Günter Seipp ✝
Als wir uns zum ersten Mal begegneten, war ich einigermaßen überrascht. Ich ein jahrelanger Begleiter des Handball-Bundesligisten HSG Wetzlar und deshalb auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit für die WM im Januar 2007 in der Rittal-Arena prädestiniert. Und er? Ein Rentner auf der Suche nach einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung?
Ich habe meine anfängliche Skepsis schnell revidieren dürfen, denn Günter Seipp hat die Weltmeisterschaft als Präsident des Organisationskommitees (OK) geprägt, er hat sie zu einem echten Erlebnis werden lassen, er hat die Domstadt für einige Tage in aller Welt bekannt gemacht. Durch sein unglaublichen Netzwerk. Mit seiner herzerfrischenden Schlagfertigkeit. Mit seinem großen Humor. Mit seiner Unbekümmertheit. Mit seiner Lockerheit. Mit seiner fast schon ansteckenden Offenheit.
Es waren alles Eigenschaften, mit denen er einst auch Sitzungspräsident der Wetzlarer Karnevals-Gesellschaft, deren Ehrensenator und Ehrenpräsident sowie 2012 auch Träger des "Dr.-Hans-Hensoldt-Sterns", der ihm sehr viel bedeutete, wurde. Die ihn in der Domstadt bekannt haben werden lassen wie den sprichwörtlichen "bunten Hund". Und die die Arbeit des OKs über viele Wochen trugen. "Ich glaube, wir haben damals einen recht guten Job gemacht", dachte das ehemalige Geschäftsleitungs-Mitglied und Prokurist der Firma Meflex aus Ehringshausen stets gerne an die Tage der Welttitelkämpfe vor fast 14 Jahren zurück.
Charly Hühnergarth, der Pressesprecher des Deutschen Handball-Bundes (DHB), bezeichnete den Mitbegründer der Wetzlarer Freien Wähler einst als den "Franz Beckenbauer des Handballs". Einem Boulevard-Journalisten, der nach der WM-Partie Kuwait gegen Grönland (39:27) wissen wollte, worin sich beide Länder unterschieden hätten, entgegnete er schmunzelnd: "Durch ungefähr 70 Grad!" Und als DHB-Vize Horst Bredemeier eineinhalb Jahre später anrief und Seipp versprach, dass mit der Partie Deutschland gegen Slowenien erstmals auch ein Frauen-Länderspiel in der Rittal-Arena stattfinden solle, da war dem einstigen OK-Chef endgültig klar: "Wetzlar hat endgültig seinen Platz auf der Handball-Landkarte Deutschlands gefunden."
Dass die drei WM-Tage stets ausverkauft waren, dass sich die Teams an der Lahn bestens aufgehoben fühlten und dass sich Wetzlar ein weiteres Mal als Hessens heimliche Sporthauptstadt präsentieren konnte, durfte sich Günter Seipp, der Zeit seines Lebens nur in seinem Elternhaus in Niedergirmes gewohnt hatte, ans Revers heften. "Günter, ruf mal deinen Freund, den Polizeichef, an!", "Günter, rede mal mit dem Ordnungsamt wegen der Parkplätze!", "Günter, leg mal bei der Feuerwehr ein gutes Wort für uns ein!" Wann immer Beziehungen im OK gefragt waren, war Seipp, privat eng befreundet mit Dr. Peter Kunter, dem langjährigen Schlussmann des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, zur Stelle.
Die Entscheidung von Ex-HSG-Manager Rainer Dotzauer, jenen Mann, den er aus dem Beirat der Grün-Weißen kannte und der als Vorsitzender und leidenschaftlicher Tischtennsspieler der TSG Niedergirmes stets behauptet hatte, seine Handballer würden selbst "in Skischuhen" gegen jene aus Dutenhofen gewinnen, zum OK-Chef zu machen, war die richtige. Auch wenn Seipps Sohn Harald, Vater der 14-jährigen Sophia, dem "ganzen Stolz" von Opa Günter, stets behauptete: "Ein richtiger Funktionär war mein Papa nie. Dafür war er viel zu menschlich."
In der Nacht von Montag auf Dienstag ist Günter Seipp überraschend verstorben. Ein halbes Jahr nach seinem 80. Geburtstag. Ein halbes Jahr nach seinem 54. Hochzeitstag, an dem er sich an der Seite seiner Frau Waltraud noch bester Gesundheit erfreute.
Seit jenen Tagen der WM 2007 verband uns eine enge Freundschaft. Wir haben jede Woche telefoniert. Oft mehrfach. Und wir hatten einen kleinen Vierer-Stammtisch, der sich zwei-, dreimal im Jahr traf. Mit Manfred Rühl, dem bereits vor sechs Jahren viel zu früh verstorbenen Rechtsanwalt der HSG. Mit Günter Seipp. Mit Axel Geerken, dem in Dutenhofenen lebenden Geschäftsführer der MT Melsungen. Und mit mir. Künftig werden nur noch Axel und ich zusammensitzen. Unfassbar!
Alexander Fischer, VRM