„Ich will, dass wir immer alles geben!“
Am Montagnachmittag das erste Training, am Dienstagmittag die erste Pressekonferenz. Der Beginn seines Trainerjobs bei Handball-Bundesligist HSG Wetzlar beinhaltet für Momir Ilic viele Termine. Gemeinsam mit Geschäftsführer Björn Seipp und dem Sportlichen Leiter Jasmin Camdzic stand Ilic den Journalisten gut eine Stunde lange Rede und Antwort.
Momir Ilic über …
… seine ersten Eindrücke: „Natürlich war der Plan ein anderer. Ich sollte erst im Juli kommen. Aber ich bin froh, schon jetzt hier zu sein und schon jetzt mit den Jungs arbeiten zu können. Ich bin stolz, ab sofort Teil der HSG Wetzlar zu sein.“
… seine Ziele für die Wochen bis Saisonende: „Das Hauptziel ist, dass wir ein anderes Gesicht zeigen. Ich will, dass die Fans, die hier ein großer Rückhalt sind, immer das Gefühl haben, dass die Mannschaft alles gegeben hat. Dafür brauchen wir Spieler mit Charakter. Jetzt ist die optimale Situation für mich zu sehen, welcher Spieler bereit ist, diesen Weg mitzugehen.“
… die Gefahr, dass er sich für die kommende Runde in eine Bredouille bringt, wenn er jetzt mit der Mannschaft nicht den Turnaround schafft und am Ende mit sechs Niederlagen aus dieser Saison geht: „Das haben mich auch viele meiner Freunde gefragt. Aber so denke ich nicht. Natürlich haben wir Top-Gegner in den kommenden Wochen. Aber ich gehe nicht in das Spiel gegen Flensburg hinein und erwarte, dass wir das Spiel verlieren. Wir wollen unsere Chance suchen und sie nutzen. Wie sollte ich sonst meine Mannschaft motivieren? Aber natürlich kann es sein, dass wir in den kommenden Wochen auch mal verlieren, weil die Qualität unserer Gegner hoch ist. Ich will aber, dass wir alles geben. Wenn wir gegen einen Top-Gegner alles in die Waagschale werfen, dann gehen unsere Fans und die Sponsoren zufrieden nach Hause – egal, wie das Ergebnis lautet. Dann haben wir zumindest ein Ziel erreicht. Deswegen denke ich nicht an ein Risiko, sondern ich sehe die Chance, die sich mir hier bietet. Ich kann mit der Mannschaft einen Monat arbeiten, kann sie kennenlernen, kann positive wie auch negative Sachen wahrnehmen und mich so auch schon besser auf die neue Saison vorbereiten.“
… seine Vorstellung von Handball: „Aus einer stabilen Abwehr heraus einen schnellen Ball spielen – das mag ich. Grundsätzlich muss ich meine Spielidee aber immer auf das auslegen, was die Spieler können. Aber in den kommenden Wochen geht es noch nicht so sehr um den Handball, den ich am liebsten spielen möchte, denn dafür ist die Zeit zu knapp bemessen. Bis Saisonende geht es vor allem um Motivation und Einstellung. Darum, immer das Beste aus sich herauszuholen.“
… positive Eigenschaften, die er bei seinem Studium der Mannschaft gesehen hat und auf die er in den kommenden Wochen bauen kann: „Natürlich habe ich die gesehen. Sonst wäre ich nicht gekommen. Das Team hat 18 Punkte geholt und auch überraschende Siege gefeiert. Da waren die Leistungen sehr gut. Aber klar, zuletzt gab es Spiele, da hatte man in allen Bereichen mehr erwartet, aber die Mannschaft hat es nicht gezeigt. Jetzt gilt es für mich herauszufinden, woran das lag? Wir brauchen für die restlichen sechs Spiele eine andere Einstellung und eine andere Motivation. Dann werden wir auch ein anderes Gesicht zeigen.“
… seine grundsätzlichen Gründe, sich für die HSG Wetzlar zu entscheiden: „Mich hat das Projekt gereizt. Hier etwas langfristig aufzubauen, ist für mich eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle.“
… die Pläne seiner Familie: „Meine Frau und mein Sohn sind jetzt noch nicht mit dabei, weil mein Sohn das Schuljahr an seiner Schule in Ungarn noch beenden soll. Aber ab Juli ziehen wir zusammen nach Wetzlar. Mein Sohn spielt auch Handball und wird sich dann hier eine Mannschaft suchen.“
Björn Seipp über …
… die Gründe für den Trainerwechsel: „Wir haben es in den letzten Tagen ja schon sehr klar formuliert, dass wir für den Rest der Saison stabilere Leistungen brauchen. Dazu braucht es von den Spielern eine andere Körpersprache und ein anderes Gesicht. Deshalb haben wir diesen Trainerwechsel vollzogen. Ich freue mich, dass Momir sofort zugesagt hat, diese Aufgabe auch jetzt schon zu übernehmen. Wir wissen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt auf der anderen Seite aber auch, seine große Motivation für die Aufgabe hier in Wetzlar.“
… Frank Carstens und Filip Mirkulovski: „Ich will mich bei beiden noch einmal ausdrücklich bedanken. Sie haben ihre Aufgaben in einer schwierigen Zeit übernommen und sich voll reingehängt. Ich wäre den Weg gerne bis zum Ende gegangen, aber die Entscheidung jetzt war alternativlos.“
… die Ziele für die kommenden sechs Spiele: „Diese Phase, die jetzt kommt, ist enorm wichtig für den Klub. Es geht darum, dass wir noch Erfolge erzielten, Punkte sammeln und uns mit Anstand aus dieser Spielzeit und erhobenen Hauptes verabschieden. Der letzte Eindruck zählt – und deshalb auch das Hier und Jetzt.“
… mögliche weitere Veränderungen in der Kaderplanung für die kommende Saison: „Die Konsequenz aus den vergangenen Wochen ist, dass im sportlichen Bereich alles auf dem Prüfstand steht. Die Spieler, die bleiben, müssen Gas geben. Stand heute sind wir mit unseren Personalplanungen annähernd fertig. Ob das so bleibt, entscheiden die Spieler mit ihrer Leistung. Denn wir befinden uns im Leistungssport. Es geht um Leistung – jeden Tag!“
Jasmin Camdzic über …
… die Probleme, die in den vergangenen Wochen aufgetreten sind: „Ich habe beobachtet, dass sich die Einstellung der Mannschaft zum Wettkampf verändert hatte. Das war nicht mehr optimal. Die Folgen haben wir in einigen Spielen dann deutlich gesehen. Auch auf der Trainerseite ist nicht alles gut gelaufen. Deswegen haben wir jetzt ja auch die Konsequenzen gezogen. Aber wir dürfen nicht nur über den Trainer reden. Vor allem die Mannschaft ist gefordert. Sie muss jeden Tag hart arbeiten. Die Spieler müssen sich wieder gegenseitig unterstützen, Hilfestellungen leisten. Das ist wichtig.“
… den Stand der Kaderplanung für die kommende Saison und ob sich noch etwas tun könnte: „Wir wussten schon Mitte Januar, dass Momir kommt. Seitdem haben wir gemeinsam am Kader gearbeitet. Mit der Verpflichtung von Filip Vistorop steht der Kader nun annähernd. Aber natürlich schauen wir jetzt in den kommenden Wochen genau hin, wer bereit ist, dem neuen Weg zu folgen.“
… die zukünftige Verzahnung zwischen erster Mannschaft, U23 und den Jugendteams: „Das haben wir in den vergangenen zwei Jahren auf ein anderes Level gehoben. Die Absprachen funktionieren sehr gut. Sehr erfolgreich läuft einmal in der Woche das Fördertraining mit den Talenten aus dem Nachwuchsbereich, dass unsere Bundesligatrainer leiten. Das wird auch alles so weiter fortbestehen. Momir und sein Co-Trainer Vladan Jordovic werden sich da ebenfalls einbringen. Vladan ist ein absoluter Fachmann, wenn es um die Ausbildung von jungen Spielern geht. Das ist seine Leidenschaft. Davon werden wir profitieren.“