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Hinter den Kulissen: Mannschaftsarzt Marco Kettrukat

Marco Kettrukat ist das "Urgestein" in der medizinischen Abteilung der HSG Wetzlar. 1967 in Dillenburg geboren, hat er von 1986 bis 1992 an der Justus-Liebig Universität in Gießen, der University of Miami (USA) und der Universität Rio de Janeiro (Brasilien) Humanmedizin studiert. 2001 erfolgte die Anerkennung zum Facharzt für Orthopädie. Marco Kettrukat beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Behandlung von Gelenkserkrankungen und konnte bei der Entwicklung von künstlichen Gelenken für Finger entscheidend mitwirken.

2004 eröffnete der Mediziner seine erste orthopädische Praxis und betreut seit vielen Jahren Sportmannschaften, Profi- und Freizeitsportler. Zur HSG Wetzlar stieß er 2005 und ist seitdem zu einer festen Größe im Klub geworden.

Marco, wie kommt man denn dazu, in Rio de Janeiro Medizin zu studieren?

Weil ich bei Ivo Pitanguy arbeiten wollte. Das war damals der bekannteste Schönheitschirurg und der hatte seine Praxis am Zuckerhut. Ich bin dann aber dort in der Orthopädie und Radiologie gelandet. Noch dazu ist Brasilien ein schönes und interessantes Land.

Du warst auch in Miami.

Ja, Miami war auch toll und ich habe mal in Davos ein Praktikum gemacht. Ich fand es immer ganz schön, die verschiedenen Kulturen kennenzulernen. Nach Brasilien wollte ich immer und jetzt habe ich nach 30 Jahren Rio noch mal mit meinen Kindern kennengelernt. Das war damals spannend. Die haben das amerikanische Ausbildungssystem und sind gar nicht so schlecht von der Ausbildung her, aber unter ein bisschen veränderten Bedingungen.

Wie muss man sich das vorstellen?

Das System der Ausbildung ist wie in den USA, wo man als Student auch relativ schnell auf Station und in die Patientenversorgung integriert wird. Das ist bei uns nicht so, da wirst du ferngehalten. Nur die Umstände waren andere, wobei das ein bisschen besser geworden ist. Aber damals haben die Leute gekämpft vor dem Krankenhaus. Da waren jeden Morgen riesige Schlangen, die sich dann angestellt haben und die, die nicht drankamen, haben halt noch mal eine Nacht vor dem Krankenhaus gewartet.

Das ist natürlich krass. Was macht das mit so einem jungen Studenten, mit so einem jungen Menschen?

Es relativiert viele Sachen. Man muss schon sagen, dass die Versorgung gar nicht so schlecht ist und die Leute, wenn sie wirklich was haben, auch bereit sind zu warten. Das war keine minderwertige Versorgung, sondern eine ganz gute, ganz vernünftige Versorgung in der eigentlich jeder Zugriff auf fast das gleiche Gesundheitssystem hat. Und es ist schon ein bisschen befremdlich. Viele haben in mehreren Krankenhäusern gearbeitet. Aber das war in Miami genauso. Da arbeiten auch viele in den öffentlichen und in privaten Krankenhäusern. Da ist der Gap ein bisschen größer, in Brasilien fand ich das eigentlich relativ gleich.

Warum hast Du eigentlich nie Deinen Doktor gemacht? Oder hast Du ihn und sagst es nicht?

(lacht) Den habe ich nie gemacht. Ich habe relativ früh damit angefangen und hab auch Doktoranten betreut, aber habe es irgendwie nie geschafft, das fertig zu machen. Ich habe in irgendeiner Tasche noch die ganzen Unterlagen sitzen. Ich bin nicht so ein Schreibfetischist. Es ist mir zuwider, solche Texte zu schreiben und fünfmal zu korrigieren. Wenn ich einmal korrigieren muss, verliere ich schon die Lust daran. Ich habe damals viele Vorträge gehalten, bin viel durch die Gegend gereist, aber geschafft habe ich es nie. Das macht den Grabstein billiger, habe ich mir überlegt. (lacht)

War das mit der Orthopädie Zufall? Der Arzt in Brasilien war schließlich Schönheitschirurg.

Nee, nicht durch Zufall. Ich wollte zur Gesichtschirurgie, weil ich das ganz spannend fand mal zu sehen. Es gab für mich eigentlich immer nur die Optionen orthopädischer Sportmediziner zu werden. Das war im Studium schon relativ klar. Das andere wollte ich einfach mal kennenlernen, weil ich das auch ganz spannend fand. Am Ende des Studiums gab es eigentlich nur die Optionen Orthopädie, Unfallchirurgie oder Pathologie, das hätte mich auch noch interessiert.

Woher kommt die Liebe zur Orthopädie?

Wenn du viel Sport machst und viele Sportverletzungen hast, dann ist das Orthopädische in Verbindung mit dem Sport das, was das Spannendste ist. Internistisch hätte ich mir das nie vorstellen können. Das hin und her diskutieren von Laborwerten und stundenlanges überlegen, was es denn sein könnte. Orthopädie ist einfach, relativ strukturiert, relativ spannend. Und das ist auch Hobby und Beruf zugleich.

Wie bist Du zum Profisport gekommen?

Wir haben damals mit der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Frankfurt die SG Wallau-Massenheim, die Frankfurt Galaxy und die Frankfurt Lions betreut. Das hat mich schon immer interessiert, da hing ich an dem Rockzipfel des Kollegen, der das gemacht hat. Irgendwann hat er mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen kann ihn zu vertreten. Das ging immer so weiter und ich habe nach einem Jahr die Frankfurt Lions alleine betreut. Dann bin ich bei Wallau reingerutscht und habe das bis zur Insolvenz im Jahr 2005 gemacht. Letztendlich bin ich mit Martin Schwalb so halb hinterher nach Wetzlar gekommen.

Die deutsche HandballNationalmannschaft betreust Du auch?

Das mache ich mittlerweile seit 20 Jahren, im Moment etwa vier Wochen im Jahr. Für die beiden A-Mannschaften bist du als Arzt eigentlich die komplette Zeit mit on Tour, auch bei Lehrgängen. Bei den U-Mannschaften bist du, außer es ist ein Turnier, nur bei den Spielen vor Ort.

Welches war Dein größtes Turnier?

Die Handball-Weltmeisterschaft der Männer im Jahr 2007. Da habe ich die Vorbereitung mitgemacht und das war das beste Ereignis, was ich miterleben durfte. Bei Olympia war ich mal Vertretung, aber dann hat es der Kollege doch geschafft. Also von daher, Olympische Spiele steht noch aus. Frankreich ist vielleicht jetzt nicht so spannend, aber 2028 sind sie dann in Los Angeles. Und dann hoffe ich, dass ich in meiner Restarbeitszeit die Olympischen Spiele noch mal erleben darf.

Welches war das schlimmste Erlebnis für Dich in der Halle?

Das Schlimmste war bis jetzt, als im Jahr 2011 beim Derby gegen Melsungen ein Zuschauer in der Arena verstorben ist. Dann war da Drago Vukovic von den Füchsen Berlin, der im Jahr 2016 seine Zunge verschluckt hatte. Das passierte direkt vor unserer Bank. Dem habe ich gerade noch die Zunge rausgezogen, sonst wäre er wahrscheinlich erstickt. Das war eine Situation, da geht einem bei aller Erfahrung schon auch mal die Düse. Mit den orthopädischen Verletzungen kannst du ganz gut umgehen. Ob da eine Schulter luxiert oder irgendwas verdreht ist, das sieht von außen schrecklich aus, aber das ist Alltag für einen Orthopäden. Ich habe beim Eishockey erlebt, dass sich einer den halben Unterschenkel aufgeschnitten hat.

Hier gehts zur Homepage von Marco Kettrukat.

Das Interview führte Danny Pieth.

Letztes Spiel

27.04.2024 - 19:00 Uhr
Schwalbe-Arena

35 : 28

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