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Aus der Ukraine in die Handball-Bundesliga: Gennadyi Komoks Einstand in Wetzlar!

Bild: Jenniver Röczey

Gennadiy Komok erlebt aktuell eine Achterbahn der Gefühle. Vor dem Krieg in seiner Heimat Ukraine ist der Nationaltorhüter geflüchtet, jetzt spielt der 34-Jährige für die HSG Wetzlar und erlebte einen besonderen Start in die LIQUI MOLY Handball-Bundesliga.

Nachdem die HSG Wetzlar am Freitagabend den Transfer des Torhüters vom ukrainischen Spitzenclub HC Motor Saporoschje bekannt gab, begann der Arbeitstag für den zweifachen Familienvater am Sonntag im Topspiel gegen den Tabellenführer SC Magdeburg zunächst auf der Bank des Bundesligisten – mit der Nummer 55 auf dem Rücken. Diese trägt Komok auch bei seinem ukrainischen Club Motor Saporoschje als auch der Nationalmannschaft. „Meine Lieblingsnummer ist die Nummer 5, also bringt eine doppelte 5 auch besonders viel Glück“, erklärt der 34-Jährige die Wahl der Rückennummer.

Schon nach fünf Spielminuten pfiffen die Unparteiischen dann jedoch Siebenmeter für die Gäste und Komok betrat unter dem Jubel der über 4.000 HSG-Fans die Platte. Der Torhüter ist für seine Siebenmeterparaden bekannt. In der Champions League hielt er im September 2021 sechs dieser Art gegen Vive Kielce. Diese Qualitäten zeigte er auch gegen Magdeburgs Torjäger Omar Ingi Magnusson und entschärfte den Wurf mit dem rechten Bein – ein Gänsehaut-Moment. Und auch den nächsten Siebenmeter der Magdeburger parierte Komok. Sein sportlicher Einstand war für die Grün-Weißen somit sensationell und die Zuschauer in der gut gefüllten Buderus Arena honorierten dies mit tosendem Applaus. Im zweiten Durchgang löste Komok dann seinen Gespannpartner Till Klimpke zwischen den Pfosten ab, konnte die Wetzlarer Niederlage gegen das Topteam der Handball-Bundesliga aber auch nicht verhindern.

Im europäischen Spitzenhandball ist Komok kein Unbekannter. Seit 2015 läuft er für für den ukrainischen Tabellenführer HC Motor Saporoschje auf. Er gewann dabei zwölf Meistertitel und holte sechs Pokalsiege. Auch auf internationalem Parkett zeigte er regelmäßig gute Leistungen in der Champions-League, so auch Anfang Dezember als er die Angreifer der SG Flensburg-Handewitt mit einer Quote von 42 Prozent gehaltener Bälle zur Verzweiflung trieb. Damals gewann sein Club mit 31:22 und der HC Motor wäre im März noch gegen den FC Barcelona, Paris Saint-Germain und den FC Porto angetreten, wenn denn nicht der Krieg begonnen hätte.

Als die Mannschaft am 24. Fe­bruar vom Champions-League-Spiel beim polnischen Klub Vive Kielce zurückkehrte, wurde der Flughafen in Saporischschja plötzlich gesperrt. Der beginnende Krieg zwang Gennadiy Komok seine Heimat zu verlassen, gemeinsam mit der ukrainischen Nationalmannschaft und seiner Familie gelang ihm der Weg über Ungarn und Österreich nach Großwallstadt. Zuhause toben nun die Kämpfe und seine Eltern sind noch in der sechstgrößten Stadt der Ukraine. „Ich mache mir große Sorgen um die Menschen, die noch da sind. Es ist der Horror“, so der Torhüter. 

In Großwallstadt absolvierte die ukrainische Nationalmannschaft dank eines Sonderlasses des Sportministeriums ein Trainingslager und trat in mehreren Benefizspielen an. Unter anderem am 1. April in der Sporthalle Dutenhofen im „Handballspiel für den Frieden“ gegen die HSG Wetzlar. Dabei machte der 34-Jährige auf sich aufmerksam und die Verantwortlichen der Domstädter verpflichteten den Torhüter kurzfristig. Viele Zufälle führten letztlich dazu: zum einen konnte das Benefizspiel nur ausgetragen werden, weil zuvor das Ligasspiel der HSG Wetzlar beim THW Kiel verlegt worden war. Dazu kam, dass sich Wetzlars eigentlicher Gespannpartner von Till Klimpke, Anadin Suljakovic schwer am Knie verletzte und durch den kurzfristigen Wechselwunsch von Kreisläufer Tomislav Kusan nach Katar finanzielle Mittel für den Transfer Komoks frei wurden.

Seit vergangenem Donnerstag ist der ukrainische Nationaltorhüter nunmher mit seiner Frau Katerina, seiner neunjährigen Tochter Kseniia und seinem fünfjährigem Sohn Kyrylo in Mittelhessen. Dabei verständigt sich der Torhüter mit seinen neuen Mannschaftskameraden noch mit „Händen und Füßen“ und Übersetzungsapps. Torwarttrainer Jasmin Camdzic spricht einige Worte russisch, wodurch die Verständigung vereinfacht wird. Till Klimpke freut sich über die zukünftige Zusammenarbeit: „Gennadiy hat viel Erfahrung und in der Champions League gespielt. Ich kann mir noch mehr von ihm abgucken als er von mir. Er hat sich super eingelebt und ist ein Top-Mann."

Familie Komok hat inzwischen eine Wohnung in der Wetzlarer Altstadt bezogen und freut sich auf etwas Normalität, während die Gedanken abseits der Platte im Heimatland sind. Cheftrainer Ben Matschke fasste nach der Niederlage gegen den SC Magdeburg seine Eindrücke zusammen: „In den letzten drei Tagen habe ich bei ihm eine unfassbare Dankbarkeit gespürt. Wir wollen ihm nun die Möglichkeit geben, zumindest für eine gewisse Zeit auf andere Gedanken zu kommen. Ich wünsche ihm einfach schöne Momente in dieser Saison."

Nächstes Spiel

05.05.2024 - 16:30 Uhr
Buderus Arena Wetzlar

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